Erinnern an den 27. Januar 1945

Ein gemeinsames Erinnern an die Befreiung von Auschwitz vor 76 Jahren vor Ort ist in diesem Jahr leider nicht möglich. Vergessen haben wir diesen besonderen Tag aber keineswegs.

Quelle: United States Holocaust Memorial Museum
Quelle: United States Holocaust Memorial Museum


Eine Erinnerung: 27. Januar. Heute vor 76 Jahren befreiten Truppen der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Wir erinnern uns an die vielen, die im April 1943 von Neuendorf aus nach Auschwitz deportiert wurden, unter ihnen Jutta Baumwol, Anneliese Ora-Borinski, Clara Grunwald, Esther Bejerano, Charlotte Joel, Mine Winter, Karla und Sylivia Wagenbach...
 
Und Anni Rosenhain. Als Anni Neumann 1920 in Leipzig geboren, war Anni gemeinsam mit ihrem Freund Heinz Rosenhain zunächst in das Hachschara-Lager Ellguth in Oberschlesien gegangen, von dort in das von Martin Gerson geleitete Gut Winkel. Als die Nazis 1941 die Ausreise von Juden und Jüdinnen verboten und alle Lager schlossen, kamen Anni und Heinz zur Zwangsarbeit nach Neuendorf, arbeiteten in einer Militärwäscherei. Wann genau die beiden geheiratet haben, wissen wir nicht.  

Kurz vor dem Abtransport, der die verbliebenen Neuendorfer*innen zunächst ins Sammellager in der Großen Hamburger Straße in Berlin und dann mit dem "37. Osttransport" nach Auschwitz brachte, schrieb Anni im April 1943 aus Neuendorf noch einen Rotkreuz-Brief an ihre bereits in den USA lebende Schwester: "Heute letzter Gruß, morgen weg, wohin unbekannt. Wollen stark sein."  

Anni und Heinz gehörten nicht zu den vielen, die gleich nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet wurden. Beide blieben bis Januar 1945 im Lager. Sie wurden in den Todesmärschen evakuiert, bevor die Sowjets das KZ erreichten. Heinz kam nach Mauthausen, wo er am 29. April 1945 starb, nur eine Woche vor der deutschen Kapitulation. Er wurde 31 Jahre alt. Anni wurde zunächst nach Ravensbrück evakuiert. Dort traf sie andere junge Frauen aus der Gruppe wieder, die sich in Neuendorf kennengelernt hatten, darunter Esther Bejarano. Zu siebt gelang ihnen im April 1945 die Flucht in die Obhut US-amerikanischer Soldaten.  

Im Juni 1945 schrieb Anni erneut an ihre Schwester in den USA, diesmal auf Englisch. "Liebe Schwester, ich bin sehr allein. Ich war sehr lange im Konzentrationslager. Ich möchte dich sofort sehen. Hilf mir! Antworte schnell!"  

1946 konnte Anni in die USA emigrieren, wo sie später den tschechischen Holocaust-Überlebenden Robert West heiratete. Ihre Erinnerungen sind als "Ann West Papers" im United States Holocaust Memorial Museum archiviert.

Auch sie wird in Neuendorf immer präsent sein.